von Günther Hilgemann
Seit ein paar Tagen steht hier wieder, jenseits der Steinfurter Aa, das restaurierte Tor mit den wuchtigen Sandsteinpfeilern, dem Torbalken und zwei mächtigen Steinkugeln am Eingang zum neu gestalteten Zichoriengarten.
Im Torbalken deuten die beiden verschlungenen Buchstaben BB auf den Namen Bernhard Bruns hin. Die Geschichte dieses Mannes und des Tores spielen in der Bau- und Stadtgeschichte Burgsteinfurts eine bedeutende Rolle.
Die Geschichte des Bernhard Bruns und seines Steintores beginnt 1816. Da kaufte er gleich hinter der Brücke am Wassertor eine Parzelle aus dem ehemaligen Besitz des Johanniterordens in der Burgsteinfurter Kommende.
Nach der Einverleibung der Grafschaft Steinfurt in das französische Großherzogtum Berg (1806) hatte die bergische Regierung auf Grund der Rheinbundakte die Kommende Steinfurts unter ihre Verwaltung genommen; ihre Nachfolgerin, die kaiserlich französische Regierung, vereinigte 1811 alle geistlichen Güter im Lippe-Department, also auch die Johanniter-Kommende, mit den kaiserlichen Domänen. Die schwerbelasteten Kommende-Güter wurden dann am 14. Juni 1816 dem Hause Bentheim-Steinfurt zur Entschädigung für die in der Franzosenzeit erlittenen Verluste übereignet.
Bruns wollte auf seinem neuen Grundstück direkt hinter der Stadtmauer, den Wasserläufen der Aa und zwei Stadtgräben, eine Fabrikationsstätte errichten. Bruns hatte eine Marktlücke erkannt. Durch die am 21. November 1806 von Napoleon verhängte Kontinentalsperre und die dadurch ausbleibenden Kaffeeimporte schnellte die Nachfrage nach einer Alternative zum beliebten Bohnenkaffee in die Höhe. Zudem waren die arabischen Kaffeebohnen durch Steuerbelastungen zu einem Luxusgut geworden.
Bruns baute die Zichorienpflanze, die Wegwarte an, um aus dem Pulver der getrockneten Wurzeln den Zichorienkaffee, den Muckefuck aufzubrühen.
Der Begriff Muckefuck ist eine typisch lautmalende Vereinfachung der französischen Sprache, die sich in den Köpfen der Einheimischen nach den Jahren unter französischer Herrschaft festgesetzt hatte. Muckefuck ist demnach die deutsche Sprachversion von „Mocca faux“ (französisch für falscher Kaffee).
Schon im 17. Jahrhundert kam der Erzählung nach eine findige Hausfrau auf den Gedanken, die Wurzeln der Zichorie zu rösten und zu mahlen. Unverkennbar war der stark an Bohnenkaffee erinnernde Geschmack. Die Zichorie hatte noch einen weiteren Vorteil: Durch den Röstvorgang entstanden auch hier aufputschend und anregend wirkende Substanzen.
Auf einem Kupferstich des Burgsteinfurter Künstlers Esselbrügge von 1830 ist das damals angelegte Fabrikgebäude mit dem daneben liegenden Eingangstor gut zu erkennen. Bruns hatte einen wirtschaftlichen Volltreffer gelandet. 1828 erzielte er mit der Muckefuck-Herstellung laut Bürgermeister Terberger schon einen Umsatz von 1.500 Talern.
Nach dem Tode seines Vaters Dirck Bruns (1834), der als Spediteur sein Geld verdient hatte, verlegte Sohn Bernhard die Fabrikation in den hinter seinem Elternhaus an der Wasserstraße gelegenen Garten. Das alte Fabrikgebäude stand nun leer. Bruns dachte aber nicht daran, das Gebäude verfallen zu lassen.
1861 wurde diese Fabrik gegen den Widerstand der großbürgerlichen Gartennachbarn zu Wohnungen umgebaut und an den Armenvorstand vermietet. Das Haus musste 1905 wegen Baufälligkeit abgebrochen werden. Das schöne, restaurierte Gartentor trägt noch die Initialen BB und erinnert damit an den ehemaligen Besitzer Bernhard Bruns.
Jetzt ist der frühere Zichoriengarten wieder wachgeküsst worden. Ruhebänke und ein Pflanzstreifen mit Zichorienpflanzen laden zum Verweilen ein.
Gartentor und Fabrikgebäude von Bruns sind auf dem Stich von Esselbrügge aus dem Jahr 1830 am unteren linken Bildrand erkennbar.
Bis 1905 stand das ehemalige Fabrikationsgebäude für die Muckefuckherstellung.
Frisch restauriert lädt das steinerne Gartentor zum Verweilen im Zichoriengarten ein.