Eine Industrieausstellung der besonderen Art ist ab 22. Januar (Freitag) im Heimatmuseum in Burgsteinfurt zu sehen. Zum einen werden ab 11 Uhr Dokumente aus der Blütezeit der Firmen präsentiert, zum anderen hat der Fotograf Michael Johann Dedeke aus Münster den Verfall der Textilindustrie am Beispiel der Spinnerei Rolinck auf seine Art in Bildern festgehalten. Acht davon sind in der Ausstellung zu sehen.
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Michael Johann Dedeke (l.), Elisabeth ten Berge und Hermann Lünnemann freuen sich auf die Ausstellung. Foto: Menebröcker |
Ein alter Packzettel im Ballenlager, ein herumliegender Feuerlöscher oder ein umgestürzter Eimer lassen den Eindruck entstehen, als hätten die Mitarbeiter erst vor kurzer Zeit die Gebäude nahezu fluchtartig verlassen. Dedeke, der unter anderem zwölf Semester digitale Gestaltung an der Fachhochschule gelehrt hat, ist es gelungen, dies zu vermitteln, obwohl die Firma bereits 2005 geschlossen wurde und er erst ab 2010 auf dem Gelände fotografiert hat. 2015 wurden die Gebäude abgerissen. Dort entsteht ein neues Wohngebiet.
„Bei meinen Besuchen hatte ich den Eindruck, die Gebäude waren seit 20 Jahren nicht mehr betreten worden“, erinnert sich der Berufsfotograf, der vor etwa fünf/sechs Jahren Kontakt zur Familie Kock aufnahm, „um den historischen Schatz zu bewahren. Alfred ,Emper` Kock und seine Frau Annette waren begeistert von der Idee“, so Dedeke weiter. Er durfte sich nach Belieben auf dem Gelände und in den Hallen bewegen. Annette Kock stellt dem Heimathaus nun die Bilder als Leihgabe zur Verfügung.
„Durch die Bearbeitung der Bilder am Computer entsteht eine Hyperrealität, die den künstlerischen Wert ausmacht“, ist sich der 54-Jährige sicher. Er will mit seinen Bildern nicht nur Zeitzeugnisse festhalten, sondern Geschichten erzählen und weitergeben, „was ich gesehen habe“. Damit seine Geschichten stimmig werden, müssen Objekt und Licht zueinander finden. Wie gut Michael Johann Dedeke das gelingt, zeigen auch seine Ausstellungen unter anderem über das New York der 20er Jahre. Der Berufsfotograf und Architekt hat aber auch zahlreiche Promis wie Bundespräsident Joachim Gauck schon abgelichtet.
Mit seinen Bildern vom Textilunternehmen an der Ochtruper Straße ist Dedeke eingetaucht in eine 115-jährige Geschichte, die Burgsteinfurt mit geprägt hat.
Am 11. Juni 1889 beantragte Franz Rolinck bei der Stadt die Erlaubnis zum Bau einer Baumwollspinnerei. Er war bereits Mitinhaber der Ochtruper Firma Gebrüder Laurenz und wollte eine eigene Firma gründen. Bereits im Oktober desselben Jahres wurde der schwere Dampfkessel installiert. Die ersten Mitarbeiter, die sich auf mechanisches Spinnen verstanden, wurden aus den Niederlanden in werkseigenen Wohnungen angesiedelt. 1900 wurde ein Arbeiterinnenhospiz (Rolinck-Heim) gebaut. Binnen kurzer Zeit entwickelte sich das Unternehmen zum größten Arbeitgeber der Stadt. 1906 waren 289 Mitarbeiter beschäftigt.
Nach dem Zweiten Weltkrieg stieg die Zahl von 150 auf 425 in den Wirtschaftswunderjahren. Bis 1970 waren Hildegard Rolinck und Dr. Tenrich Inhaber, danach übernahmen die Gebrüder Kock den Betrieb. Auch neue Investoren konnten den Niedergang nicht verhindern. 2005 verloren die letzten 50 Mitarbeiter ihren Job, die Firma ging in Insolvenz, der Maschinenpark kam unter den Hammer, die Industriebrache wurde nur noch als Lager genutzt. Jetzt entsteht auf dem 32.000 Quadratmeter großen Gelände eine Wohnsiedlung.