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Das Handwerk in Burgsteinfurt
Mein Vater Heinrich Wahlbring, Jahrgang 1910, hat nach seiner Schulzeit bei einem Metzgermeister in Nordhorn seine Lehrzeit begonnen. Er wohnte dort mit Kost und Logis. Neben den vielen Aufgaben in der Metzgerei musste er Ställe ausmisten, Pferde auf die Weide bringen, im Haushalt helfen, Schuhe putzen usw. Seine Arbeitszeit ging von Montags morgens bis Samstag abends, meist mehr als 12 Stunden am Tag. Nach 1.5 Jahren haben meine Großeltern, auf Rat der Nordhorner Nachbarn, meinen Vater nach Hause zurückgeholt, um ihn nicht weiter zu überfordern. Seine Lehrzeit konnte er dann bei Heinrich Altena in Burgsteinfurt fortsetzen. 1927 machte er dann die Gesellenprüfung.
Obwohl er Protestant war, trat er dem Kolping bei. Von 1931-1935 ist er dann auf Wanderschaft gegangen, hat in Kolpinghäusern übernachtet und dabei ganz Deutschland kennengelernt. Die Wanderbücher sind noch heute in meinem Besitz. Danach hat er in Gütersloh bei der größten Fleischfabrik Deutschlands Vogt und Wolf eine Anstellung gefunden. 1938 machte er vor der Handwerkskammer Bielefeld seine Meisterprüfung. In seinem Meisterbrief ist nicht nur erwähnt, dass er die Meisterprüfung im Fleischerhandwerk bestanden hat, sondern: "Meister im Handwerk sein, heißt Qualitätsarbeit leisten, Standesehre und Gemeingeist pflegen und fördern, einen tüchtigen Nachwuchs heranbilden und tatkräftig in berufsständischen Fragen mitarbeiten". Später nahm er dann eine Stelle bei einem Metzgermeister in Göttingen als Erstgeselle an.
Die Aufgabenbereiche in einer Metzgerei könnte man folgendermaßen differenzieren: Töten, Zerlegen, Aufbereiten. Es waren sozusagen 3 Berufe Schlachter, Fleischer, Metzger in einem vereint. Der Metzger hatte im allgemeinen bei der Bevölkerung keinen besonders guten Ruf, galt er doch als grober Geselle, wahrscheinlich ist das mit dem Tötungsprozess aber auch mit der körperlich schweren und schmutzigen Arbeit in Verbindung zu bringen.
1940 ist mein Vater eingezogen worden. Nachdem er aus amerikanischer Gefangenschaft, die er in Kalifornien verbrachte, entlassen war, arbeitete er in Göttingen bei der amerikanischen Besatzungsmacht im Offizierskasino. Hiermit überbrückte er die schlechte Zeit nach dem Krieg. Als dann seine Mutter starb, kam der Ruf nach Hause. Er machte sich daher 1948 in seinem Elternhaus, Am Neuen Wall 5, als Metzgermeister selbständig.
Nachdem dann nach der Währungsreform die Zuteilung der Fleischwaren durch die Obrigkeit weggefallen war, konnte man sich als Selbständiger bald wieder frei entwickeln. Mein Vater suchte sich bei bekannten Bauern die entsprechenden Tiere aus, schlachtete sie im städtischen Schlachthof, verarbeitete sie in seiner Wurstküche und meine Mutter verkaufte die fertigen Waren an die Kundschaft. Anfangs war die Metzgerei bei uns ein Einmannbetrieb; später half der Hausschlachter Christoph Dossier von der 1. Gaststege bei uns aus.
Aber schon bald erkannte mein Vater, dass er sich wegen des Verkaufs, näher zum Stadtkern hin orientieren musste. Aus diesem Grunde erwarb er die ehemalige Metzgerei Walter Altena (früher Steinhoff) Bütkamp 5, wohin dann Produktion und Verkauf verlagert wurden. Hier hatten wir neben einem größerem Ladenlokal, eine Wurstküche, ein Kühlhaus, einen Zerlegeraum und einen Salzraum.
Da bei meinem Vater der Grundsatz galt, dass der Sohn in der Fremde mehr lernt als zu Hause, bewarb ich mich 1954 bei der Metzgerei Beermann in Emsdetten um eine Lehrstelle. Ich hatte Glück, dass ich unter 28 Bewerbern den Zuschlag erhielt, nicht nur, weil ich groß und stark war, sondern auch, weil man einem Meistersohn eine Chance geben wollte. Beermann hatte damals schon einen größeren und moderneren Betrieb, als ich das von zu Hause gewohnt war. So schlachteten wir jede Woche 30 Schweine und 5 Stück Großvieh. Hier konnte ich natürlich viel lernen. Wir hatten bereits Rohrbahnen zum Befördern der Tiere, 3 große Kühlhäuser und modernste Maschinen. Die Aufzuganlage für seinen Brühbottich hat er allerdings erst angeschafft, als ich meine Lehrzeit beendet hatte.
Meine Aufgabe bei Beermann bestand schon bald darin, den "billigen End" zu machen. Das war eine billige Leberwurst, die nur 80 Pfennig/Pfund kostete, und aus Mehl, Brühe, ein wenig Restfleisch und unterschiedlichen Gewürzen zusammengestellt war (Leber war damals noch zu hochwertig).
Ich machte 1957 meine Lehrabschlussprüfung. Da meine Eltern zu diesem Zeitpunkt krank wurden, konnte ich meinen Wunsch, die ersten Gesellenjahre auswärts zu verbringen, nicht verwirklichen. Ich stieg daher als Geselle in das elterliche Geschäft ein. Auch hier hatte sich einiges positiv entwickelt. Mein Vater beschäftigte 2 Gesellen und einen Lehrling. Dazu hatten wir ein Hausmädchen, da meine Mutter im Laden vollständig ausgelastet war. Weit und breit waren wir der einzige Betrieb mit einer Klimaanlage, wodurch es schneller möglich war, die Wurst haltbar und schnittfest zu machen. Daneben besaßen wir zum Zerlegen eine Bandzugsäge, zum Feinstzerkleinern des Wurstgutes einen Schneidmischer und zum Sahnigzerkleinern eine Kolloritmühle. Die wichtigsten Werkzeuge allerdings waren die Messer, die früher mit einem handbetriebenen und später mit einem elektrisch betriebenen Schleifstein geschärft wurden. Da der Metzger außerdem mit viel Blut, Schmier und Fett umzugehen hatte, trug er eine lange gelbe Ölschürze. Mein Vater war der Zeit schon ein wenig voraus, als er für den Betrieb waschbare blaue Leinenschürzen anschaffte.
Da der Metzger bei der Kundschaft nach dem Geschmack seiner Wurst beurteilt wurde, gab es in den einzelnen Betrieben dafür streng gehütete Rezepturen. Neben der Zusammensetzung der Materialien sind insbesondere eine Vielzahl von Gewürzen für die Qualität ausschlaggebend. Deshalb war es auch nicht verwunderlich, dass sich der Meister das Würzen der Wurstmasse selbst vorbehielt.
In unserer Branche unterscheiden wir:
frische Rohwurst, z.B. Bratwurst, Verzehr innerhalb von 24 Stunden
Rohwurst, als Dauerwurst, z.B. Braunschweiger
normale Dauerwurst, z.B. Salami, durch Trocknen und Reife haltbar gemacht
Kochwurst, z.B. Schwartemagen, aus vorgekochtem Fleisch hergestellt und dann durch Kochen haltbar gemacht
Brühwurst, z.B. Schinken- und Fleischwurst
Während der Woche liefen in den 50er und 60er Jahren nur Innereien (Schweineherz und Schweineleber), Schweineschwänzchen, Schweinepfötchen, Fleischknochen und Rippchen über unsere Ladentheke. Nur an den Wochenenden wurden Edelstücke wie Braten verkauft. Im Gegensatz zu den Kollegen in der Umgebung hatten wir in Burgsteinfurt allerdings den Vorteil, gelegentlich an die höheren Beamten auch Kalbfleisch, Rouladen, Rinderzunge und Rostbeef verkaufen zu können. Daneben gab es natürlich Wurst- und Leberbrot und Töttchen in den verschiedensten Zusammensetzungen.
Da es in Burgsteinfurt seit 1891 einen öffentlichen Schlachthof gab, der von der Stadt betrieben wurde, mussten die Metzger unserer Stadt auch alle Schlachtungen dort durchführen. Hauptschlachttag war Montag. Dann trafen sich alle Metzger am Schlachthof. Dort hatte der Schlachthofverwalter und späterer Hallenmeister Bernhard Röwekamp das Sagen.
Bis zum Umbau des Schlachthofes 1960 kamen die Schweine, nachdem sie im Liegen gestochen (mit dem Bolzenschussapperat getötet) waren, in den Brühkessel, um dann mit einem Metallgerät, der Glocke, die aufgeweichten Borsten abzuschaben.
Das änderte sich nach der Modernisierung doch grundlegend. Für die Schweine und Rinder gab es getrennte Hallen. Die Schweine kamen in die Tötebucht wurden mit der elektrischen Zange betäubt, am Hinterfuß auf die Rohrbahnen hochgezogen und dann gestochen, so dass nicht nur ein besseres Ausbluten garantiert, sondern das Blut auch besser aufzufangen werden konnte.
Im Anschluss konnten die Borsten dann mit der Kratzanlage automatisch abgeschabt werden. Die Metzger hatten bei den jeweiligen Vorgängen mitzuhelfen. Danach mussten wir die Tiere ausnehmen, das Fell abziehen, sie hälften und vierteln, um das Fleisch dann im Kühlhaus des Schlachthofes zu lagern.
Erwähnenswert ist vielleicht noch, dass sich beim Schlachthofumbau die städtischen Metzger verpflichtet hatten, die modernen Einrichtungen des Schlachthofes durch höhere Gebühren pro Stück mitzufinanzieren. Ich erinnere mich, dass mein Vater nach dem Schlachten mit einigen der Berufskollegen noch in die Gaststätte Fischer (früher Berkemeier) zum Kartenspielen und Biertrinken ging. In unserer "Glanzzeit" zwischen 1968 und 1978 schlachteten wir pro Woche 20 Schweine, 5 Stück Großvieh und 2-3 Kälber; dazu kamen gelegentlich noch Schafe und Ziegen. Trotzdem mussten wir teilweise noch Edelstücke dazukaufen.
Unser Arbeitstag begann morgens um 3.30 Uhr in der Frühe. Die Organisation unserer Arbeitsvorgänge hatten wir nach einem Schema aufgeteilt, das sich für uns als sinnvoll erwiesen hatte:
Montags: nach häuslicher Vorbereitung, Schlachten auf dem Schlachthof Dienstags: Tiere vom Schlachthof holen und zu Hause zerlegen Mittwochs: Kochwursttag Donnerstags: Brühwursttag Freitags: Herstellung von Dauerwurst und frischer Rohwurst Samstags: Meister, Metzger und Lehrling mussten im Laden aushelfen
Die Transporte zum Schlachthof übernahm zumeist Günther Gieldon. 1965 habe ich dann vor der Meisterschule Heyne, Frankfurt die Meisterprüfung abgelegt. Nachdem mein Vater 1970 starb, habe ich den Betrieb alleine weitergeführt.
Die finanziellen Möglichkeiten der Bevölkerung verbesserten sich in den 70er Jahren immer mehr. Es begann die gute Zeit der Metzger. Der Verbraucher verlangte viel und auch immer mehr hochwertiges Fleisch. Die Konkurrenz der Supermärkte war noch nicht da. Aus diesem Grunde suchten wir im Stadtzentrum einen Verkaufsladen und wurden 1968 beim ehemaligen Konsum Ecke Steinstraße/Mühlenstraße, früher Lindenstraße, fündig. Die Produktion verblieb am Bütkamp. Infolge der Stadtsanierung mussten wir uns 1982 wieder verändern. Wir bauten an der Ecke Kalkwall/Steinstraße ein neues Wohn- und Geschäftshaus, wo sowohl die Produktion als auch der Verkauf funktionsgerecht sinnvoll zugeordnet sind. Während der Metzger früher, wie beschrieben, für seine individuelle Wurst bekannt war, kommt heute infolge der Europäischen Normung nur noch Einheitswurst auf den Tisch. Der Schinken allerdings ist zu allen Zeiten ein Renner geblieben.
Die Arbeit ist viel sauberer geworden und man ist mehr Koch als Metzger. Während früher der wöchentliche Schlachttag äußerst anstrengend war -man verlor dabei 2-3 Kilo- ist heute nur noch der Transport nach "Tummel" in Schöppingen zu organisieren.Wichtig für den Metzger war und ist die Frau, die den Ladenverkauf zu organisieren hatte und damit die Seele des Geschäftes darstellte. Zu Beginn der 90er Jahre verdrängten die großen Warenhäuser die handwerklichen Metzger immer mehr vom Markt. Während es 1951 noch 14 Metzger in Burgsteinfurt gab, gibt es heute (2002) nur noch 4. Dabei sind diese mehr Veredler geworden und decken insbesondere die arbeitsintensiven Bereiche wie Erstellung von Büffets und Herrichten von Geschenkkartons ab.
Nach dem Krieg hatten viele der selbstständigen Metzger im Nebenerwerb in den Bauerschaften Hausschlachtungen durchgeführt. Das ging bis in die 60er Jahre hinein. Daneben gab es auch typische Hausschlachter, die neben einem anderen Beruf (meistens Maurer) im Winter Hausschlachtungen durchführten, wie
Hermann Lünnemann, 2. Gaststege,
Johann Hörstker, Seilen 63 und
Johann Rummeling, Hollich 114a. Anfang der 50er Jahre gab es in Burgsteinfurt folgende Metzgereien:
1. Wilhelm Overkamp, Drepsenhoek 15 + Schankwirtschaft 2. Gottfried Altena, Rottstraße 17 + Gaststätte 3. Walter Altena Bütkamp 5, vormals Steinhoff 4. Bernhard tho Gempt, An der Hohen Schule 19 + Gaststätte 5. Karl Heßling, An der Hohen Schule 17 6. Wilhelm Holt, Meteler Stiege 86 7. Ferdinand Hagedorn, Emsdettener Straße 26 8. Alfred Klose, Eichendorffstraße 21 9. Alfred Nossek, Hachstiege 79 10. "Manne" Schnieder, Brückenstraße 24 11. Alex Wacker, Lindenstraße 47 12. Heinrich Wahlbring, Am neuen Wall 5 13. Moritz Sander, Rottstraße 13 14. Bernhard Kerßen, Neustraße 4
Davon waren Overkamp, Altena, Steinhoff, tho Gempt, Heßling, Schnieder, Kerßen und Wacker auch schon 1931 am Markt. Altena, Steinhoff und Wacker sind bereits 1902 im Burgsteinfurter Adressbuch aufgeführt. Dazu gab es damals 8 weitere Metzger, davon 6 jüdischer Abstammung.
Dass Overkamp 1902 noch nicht erwähnt war, lag sicherlich daran, dass er zu der Zeit nicht hauptberuflich Metzger war, sondern nur im Winter schlachtete und auch nur dann seine Fleisch- und Wurstwaren verkaufte. Im Sommer betrieb Overkamp seine Landwirtschaft, eine Korbmacherei und später ein Fuhrgeschäft. Ab 1929 ist die Metzgerei dann in Verbindung mit einer Gaststätte Vollbetrieb geworden. Der Pferdemetzger Moritz Sander hatte bis Ende Mai 1938 an der Rottstraße eine Pferdemetzgerei betrieben, die dann von den Nazis zwangsweise geschlossen wurde. Am 2.1.1946 meldete er eine Metzgerei samt Vieh- und Pferdehandel wieder an. Die Metzgerei ging am 27.2.1950 auf die Söhne Fritz, geb. 25.10.08, und Erich, geb. 18.8.1914, über. Der Pferdehandel wurde am 5.3.1951 aufgegeben. Ab 1955 hatten die beiden Sander Brüder mit den Behörden Probleme, da sie neben Pferdefleisch auch anderes Fleisch verkauften und keiner der beiden Meister war. Wegen der fehlenden Meistereigenschaft bekam Fritz Sander als Rossschlächter eine Ausnahmebewilligung, da ihm abgenommen wurde, dass er als Halbjude ab 1933 keine Möglichkeit gehabt hätte, zur Meisterprüfung zugelassen zu werden. Er hatte schon erhebliche Schwierigkeiten, überhaupt als Metzgergeselle eine Anstellung zu finden, da Betriebe, die ihn einstellten, sich selbst der Verfolgung aussetzten. Trotzdem war es ihm gelungen, in Essen, wo er nicht bekannt war, eine Anstellung zu finden. Bezüglich des unterschiedlichen Fleischverkaufs ließen die Behörden aber nicht mit sich reden, da dafür getrennte Verkaufsräume vorgeschrieben waren. So wurde 1959 die Metzgerei der Vorschrift entsprechend umgebaut und Fritz Sander am 1.9.1959 als Fleischermeister in die Handwerksrolle eingetragen. Die Pferdemetzgerei wurde 1964 aufgegeben, so dass nur noch eine Rind- und Schweinemetzgerei betrieben wurde. Am 22.4.1971 ist das Geschäft an den Metzger Peter Betzinger verkauft worden.
Bernhard Kerßen hatte 1926 den seit 1918 bestehenden jüdischen Betrieb Phillip Simons übernommen. Am 27.7.1939 kaufte er von der Ww. Simons die Metzgerei für 5000 RM. Da dieser Preis unter dem festgesetzten Verkehrswert lag, musste Kerßen 500 RM Ausgleichsabgabe an das Reich zahlen. Am 1.10.1969 ist der Betrieb dann aufgegeben worden.
Bereits ab 1885 wird an der Rottstraße 17 eine Metzgerei und Gaststätte Heinrich Altena erwähnt. Am 21.4.1959 hat Gottfried Altena seine Metzgerei an J. Sirk übergeben. Den Gaststättenbetrieb hat er vorerst noch behalten. Walter Altena hat 1951 die Metzgerei am Bütkamp 5 von seinem Onkel Heinrich Steinhoff geerbt und schon 2 Jahre später an Wahlbrink verkauft. Karl Heßling, geb. 1885, hat 1910 die Metzgerei von J. Simons, Kirchstraße 17 übernommen. 1919 erwarb er das Anwesen Nagelschmidt an der Schulstraße 17, wo er dann seine Metzgerei einrichtete. Später ging der Betrieb auf Ernst Heye und dann auf August Stolte über.
Das Gewerbe des Alex Wacker wurde am 31.12.1965 abgemeldet und von Heinz Wattendorf noch kurze Zeit weitergeführt. Den Betrieb Overkamp gibt es schon seit 1864, als Johann Overkamp in der Hahnenstraße eine Schweinemetzgerei eröffnete und alsbald in den Drepsenhoek umzog. Alfred Klose war bereits seit 1928 im Bahnhof Rubank in Schlesien mit Metzgerei und Gasthof selbständig. Nach der Vertreibung hat er sich in Burgsteinfurt erst mit Gelegenheitsarbeiten durchgeschlagen, bis er 1948 wieder ein Gewerbe anmeldete. Bei Ebbing, Ecke Hachstiege/Eichendorffstraße richtete er provisorisch eine Wurstküche und einen Verkaufsraum ein. Die Fleisch- und Wurstwaren brachte er teilweise mit einem von Herrn Bevers umgebauten Fahrrad zu den Kunden. Später hat er dann die Garage von Jüngst am Münsterkamp gemietet und so umfunktioniert, dass er wursten und verkaufen konnte. 1952 ist er dann in seinen Neubau an der Eichendorffstraße 21 eingezogen. Kloses waren hauptsächlich für ihre schlesischen Spezialitäten wie die helle und dunkle Wellwurst (Kochwurst), die Krakauer (Brühwurst), die rohe polnische Mettwurst und natürlich zu Weihnachten und Sylvester die schlesische Weiße bekannt. Dieses Sortiment machte etwa 20%-25% seines Verkaufs aus. Die Kundschaft dazu kam von weit und fern.
Der Schmied Gespräch mit Hermann Schumacher, Jahrgang 1920, geführt im Dezember 2002
Nach der Schatzungsurkunde der Stadt Burgsteinfurt von 1793 gab es damals bereits 6 Schmieden in unserer Stadt.
Ich bin Ostern 1935 aus der Schule gekommen. Die Lehre bei Josef Uphues konnte ich aber offiziell erst im Herbst 1935 antreten, da ein Meister nur 2 Lehrlinge ausbilden durfte, und mit Rudi Hörstker ein Lehrling da war, der erst im Herbst seine Gesellenprüfung machte. In der Schmiede Uphues waren damals neben dem Meister 2 Gesellen und 2 Lehrlinge beschäftigt.
Mein Meister, der aus einer Ramsdorfer Schmiede- und Kaufmannsfamilie stammt, hatte sich 1920 (Meisterprüfung 1919) an der Emsdettenerstraße Nr. 9, heute Tecklenburgerstraße, als Schmied selbständig gemacht. Dazu pachtete er das ehemalige Schmiedegebäude des Wilhelm Nüßmeier.
1928 kaufte er auf der anderen Seite der Erpostraße ein größeres Grundstück mit einem eingeschossigen Wohnhaus, welches er 1938 aufstockte. Hier hielt Uphues immer Zimmer vor, um Lehrlinge und Gesellen von auswärts (insbesondere aus dem Emsland) einstellen zu können.
In der Schmiede gab es 2 aus Ziegelsteinen gemauerte Schmiedefeuer oder Essen. Darüber hingen Rauchfange mit Öffnungen zum Kamin. Schon damals wurde elektrisch Luft zu den Essen geblasen, so dass der eine vorhandene Blasebalg meistens überflüssig war. Von der einen Esse zur anderen befand sich ein mit Wasser gefüllter Blechtrog, um die glühenden Werkstücke abkühlen zu können. Für Meister und Geselle war je ein Amboss vorhanden, der auf Holzstämmen befestigt war. Dazu gab es die Werkbank mit einem schweren Schraubstock und einer Säulenbohrmaschine. Auch arbeiteten wir mit einem autogenen Schweißapparat, der mit Karbidentwickler betrieben wurde.
Als Lehrling hatte ich morgens dafür zu sorgen, dass bei Arbeitsbeginn um 7.00 Uhr das Schmiedefeuer entfacht war. Neben den normalen Schmiedearbeiten wie Hufbeschlag, Herstellung von Türbeschlägen, Schlössern und Werkzeugen, Bereifung von Wagenrädern, die die Hauptarbeit vorm Krieg ausmachten, wurden auch Schlosserarbeiten wie Garteneinfriedigungen, Tore, Balkongeländer und Landmaschinenreparatur und -montage durchgeführt. Für die Bauern habe ich Heu- und Dungaufzüge gebaut und die Selbstbinder, die damals aufkamen, zusammengebaut. Unsere meisten Kunden kamen aus Hollich.
Die Tätigkeit war eine harte Arbeit mit viel Lärm und rauchiger Luft. Vor den Funken schützte sich der Schmied mit einer Lederschürze.
Ich bin oft beim Augenarzt in Rheine gewesen, wenn wieder mal Funken ins Auge geflogen waren. Trotz dieser vielen Immissionen und der Hitze und Kälte habe ich die Arbeit aber nicht als besonders schwierig empfunden.
50% unserer Tätigkeit bestand aus dem Hufbeschlag, der im Gegensatz zu den anderen Schmieden in Burgsteinfurt innerhalb des Werkstattgebäudes stattfand. Schon frühmorgens warteten die Bauern drauf, ihre Pferde beschlagen zu lassen.
Wenn die Pferde dem Schmied vorgeführt wurden, musste dieser zunächst ihre Gangart und den Zustand ihrer Hufe überprüfen. Die Tritte vom Vorder- und Hinterhuf mussten sauber sein, wie man sich ausdrückte. Aus einer Menge von Fabrikeisen (Rohlinge) suchte der Meister die passenden Eisen aus. Je nach Bedarf setzte der Schmied leichte oder schwere Eisen ein. Waren sie noch nicht durchgeschlissen, konnten sie ein 2tes Mal wieder verwendet werden. Da unser Meister extra eine Hufbeschlagsprüfung abgelegt hatte, fühlte er sich auch in erster Linie dafür zuständig.
Gelegentlich, wenn Zeit dafür vorhanden war, wurden die Hufeisen auch selbst hergestellt. An dem Oberteil des gebogenen Eisens schmiedeten wir eine halbmondförmige Kappe an, um das Rutschen des Pferdefußes zu verhindern. In der Bodenfläche wurde eine Vertiefung (Falz) eingearbeitet, in die beidseitig je 4 Löcher für die Hufnägel eingeschlagen wurden.
Vor dem Beschlagen mussten die Hufe beschnitten, an Trachte und Zehe gekürzt und Stral und Sohle mit dem Hufmesser ausgeschnitten werden. Das erforderte schon eine gewisse orthopädische Geschicklichkeit.
Auf dem Amboss ist das Hufeisen dann nachgearbeitet worden. Mit einem leichten Schmiedehammer und 2 schweren Vorschlaghämmern schlugen Meister und Gesellen abwechselnd im gleichen Takt auf das heißglühende Eisen, so dass die Funken weit in die Werkstatt sprühten. Dann wurde das noch heiße Eisen auf den Huf aufgebrannt und mit 8 Nägeln befestigt.
Im Winter bei Eis und Schnee mussten die Eisen häufiger geschärft werden oder es wurden Stollen eingedreht oder angeschweißt.
Eine weitere große Aufgabe war der Wagenbau. Hierzu arbeitete Uphues hauptsächlich mit den Stellmachern Rudolf Lammers, Veltruper Kirchweg 7; Johann Ebbing, Am Neuen Walll 2; Wacker, Kirchstraße; Köster, Bagnostraße und mit Hermann Schnieder, Hollich 34 zusammen.
War der Stellmacher beim Wagenbau zuständig für alles, was aus Holz hergestellt wurde, so musste der Schmied sich um die dazugehörigen Eisenteile kümmern. Stellmacher machten Naben, Speichen und Felgen, Schmiede arbeiteten die Beschläge und zogen die Reifen auf. Noch bis in die 60er Jahre wurden die Reifen von Hand aufgezogen.
Dabei folgte die Technik dem einfachen Naturgesetz, dass Körper sich bei Wärme ausdehnen und bei Kälte zusammenziehen. Daher mussten die Eisenreifen immer etwas kleiner geschmiedet werden, als die hölzernen Radfelgen.
So wurde der Umfang von Rad und Felge genau ermittelt. War der Reifen zu weit, band er die Felge nicht zusammen, war er zu eng, gingen die Felgen wegen zu hoher Spannung zu Bruch. In einer Eisenbiegemaschine wurde das Eisenband zunächst kreisförmig gebogen. Die Ecken wurden geschlitzt (keilgezinkt), miteinander vernietet und dann feuerverschweißt.
Waren die Reifen rotglühend erhitzt, musste schnell gehandelt werden. Mit Feuerhaken wurde das heiße Eisenband auf die Holzfelge aufgebracht. Da das Holz leicht schwelte, musste das Hämmern und Ausrichten sogleich einsetzen. Das war ein spannender Vorgang, der viel Geschick und Schnelligkeit erforderte. Sogleich wurde das Rad durch einen Wassertrog gedreht, was ein lautes Zischen und eine dichte Wolke aus Wasserdampf hervorrief, die die Werkstatt in Nebel hüllte.
Der Schmied war zufrieden, wenn seine Arbeit gelungen war. Durch das Abkühlen verkleinerte sich der Umfang des Rades, so dass der Reifen fest auf die Felge gepresst wurde.
Außer Josef Uphues gab es vorm Krieg in Burgsteinfurt noch die selbständigen Schmiedemeister: Dietrich Scholte, Rottstraße 10, wo die Lehrlinge regelmäßig in Logis wohnten und seit 1932 Friedrich Teigeler, Ecke Viefhoek/Wasserstraße (vormals Hermann Paalmann), später Drumstege 2-3, das vorher ein Lager des Juden Cohen war. Zu meiner Kindheit gab es noch auf der l. Gastege die Schmiede Heimann. Die Schmieden in Burgsteinfurt hatten untereinander ein gutes Verhältnis und tauschten sich sogar gegenseitig aus. Über einen Kohlenhändler bestellten sie gemeinsam ihre Schmiedekohle. Als Schmied hatte man unter der Bevölkerung ein gutes Ansehen, und ich glaube auch, dass die selbständigen Meister ein gutes Auskommen hatten. Wie alle Handwerksbetriebe machten auch die Schmieden einen Strukturwandel mit.
So entwickelten sich nach dem Krieg die Bauschlossereien wie Bernhard Abbenhaus, Rottstraße 4, Maximilian Lux, Rolinckstraße 3a und die Dreherei, Schlosserei und Schmiede Bernhard Peters (Meister Hämmerlein), Wasserstraße 25, die in dem ehemaligen Teigelerschen Betrieb arbeitete.
Dazu gab es noch in den 50er Jahren den Feinmechaniker Daniel Kirchner, Viefhoek.
Auch die alteingesessenen Schmieden mussten sich umstellen und sich den neuen Erfordernissen des Marktes anpassen. Es kam hinzu, dass besseres Material und ein zusätzliches Profilangebot (Rohre) im Stahlbau andere Aufgabenfelder erschloss. Das typische Schmieden (Feuerschweißen) wurde mehr oder weniger durch Elektroschweißen ersetzt.
Als Josef Uphues 1939 als Fahnenschmied zur Kavallerie nach Rheine eingezogen wurde, musste ich zumindest bis spätnachmittags, wenn der Meister wiederkam, den Betrieb mit den Lehrlingen alleine meistern. Aus diesem Grunde bin ich auch UK gestellt worden. Allerdings habe ich mich dann Juni 1940 freiwillig zur Luftwaffe gemeldet.
Nachdem ich in Braunschweig als Flugzeugführer für untauglich erklärt wurde, bin ich in Poching (Bayern) zum Flugzeugfunkwart ausgebildet worden und konnte danach dort als Hilfslehrer für physikalische Grundlagen und Gerätelehre bis Kriegsende bleiben. Nach dem Krieg bin ich dann bei der WCG im Landmaschinenbau angefangen, wo ich dann auch 1956 meinen Meister machen konnte.
Von Ende 1940 bis 1945 arbeitete in der Schmiede Uphues ein polnischer Kriegsgefangener, der wegen seiner guten handwerklichen Fähigkeiten, bei der Kundschaft anerkannt war. Nach dem Krieg 1946/47 baute Uphues auf seinem Grundstück (andere Seite der Erpostraße) eine neue Schlosserei mit Lagergebäude
Die Zeit bis zur Währungsreform konnte nur mit fixen Ideen und unter Anwendung vieler Kompensationsgeschäfte überstanden werden. Lange Zeit war Uphues einziger Lanz-Vertreter im Kreis Steinfurt.
So hat jeder versucht, sich auf die neuen Vorraussetzungen und die neuen Techniken einzustellen. Teigeler verlegte sich z.B. auf die Herstellung gummibereifter Anhänger.
Als Josef Uphues 1962 starb, übernahm sein Sohn Franz Josef den Betrieb. Nach dessen allzu frühen Tod 1970, wurde Paul Schnieders neuer Betriebsleiter. 1995 sind die Arbeiten in der Schmiede Uphues endgültig eingestellt worden.
Zimmermann Gespräch mit Walter Claasmeier, Jahrgang 1935, geführt 2001
Mein Vater Johann Claasmeier, 1902 geboren, hat bei Hermann Raeker, Seilen 44, den Beruf des Zimmermanns erlernt. Er machte 1923 seine Gesellenprüfung. Aus seinem Gesellenbrief geht hervor, dass der Beruf des Zimmermanns zur Zwangsinnung des Tischler-, Zimmerer- und Wagenbauerhandwerks gehörte. Bis Ende 1925 arbeitete er noch bei Raeker als Geselle, um sich dann ab 11.11.1925 gemeinsam mit Bernhard Hemker an der Metelerstiege 4 selbständig zu machen. Keiner der beiden besaß einen Meisterbrief.
Unter den Bauhandwerkern nahmen die Zimmerleute immer eine Sonderstellung ein, da der Einzelne nicht allein arbeiten, sondern nur in Verbindung mit 3, 4 oder 5 Kollegen die schweren Hölzer heben, tragen, verarbeiten und zusammenfügen konnte. Es hieß damals: "Der Zimmermann soll nicht nur körperlich kräftig sein, wie es der Zimmererberuf verlangt, sondern er muss, will er Erfolg haben, ein geistig regsamer, mit praktischen, technischen Fähigkeiten ausgestatteter Mensch sein."
Da es vor dem Krieg nur wenige automatische Sägen gab (Rottmanns hatten allerdings ihr Gatter schon seit 1923), mussten die Zimmerleute die Rundhölzer mit dem Breitbeil selbst behauen, um entsprechende Kant- und Schnitthölzer zu bekommen. Das war keine einfache Arbeit und erforderte viel Geschick.
Bei Kriegsbeginn 1939 wurde Johann Claasmeier als Deutscher Frontarbeiter zur Organisation Todt eingezogen und war unter der Führung der Firma Peter Büscher wie viele andere Burgsteinfurter Handwerksmeister als Zimmermann auf Baustellen in Bremen tätig. Ab 1942 ist er dann vom Wehrdienst freigestellt worden, um für den Technischen Notdienst in Burgsteinfurt zur Verfügung zu stehen. Hier waren seine Einsatzorte am Bahnhof und das Gelände von Gottszys Ziegelei, wo hauptsächlich Baracken als Notunterkünfte gebaut wurden. Zu Kriegsende wurde er nach Gelsenkirchen abkommandiert, um Bombenschäden zu reparieren. Nach dem Krieg ging die normale Arbeit auf dem Bau schnell wieder los. Gerade der Bausektor profitierte von der Wohnungsnot und natürlich auch davon, dass viele, im Krieg zerstörte Gebäude, wieder aufgebaut werden mussten. Zwar mangelte es anfangs an allgemeinem Baumaterial, was aber nicht unbedingt auf Holz zutraf, da dieses im Bagno oder in den Droste Tannen in ausreichendem Maße zur Verfügung stand.
Daher ging der Zimmermann, wenn er den Auftrag für ein Bauvorhaben bekommen hatte, erst in den Wald, um gemeinsam mit dem zuständigen Förster (in den Droste Tannen war das Kammering) die passenden Stämme vor Ort auszusuchen. Diese wurden dann im Herbst und im Winter, solange der Saft noch nicht in die Rinde gestiegen war, eingeschlagen. Mit Hilfe von starken Ketten zogen Pferde (genannt Rückerpferde) die Baumstämme aus dem Wald heraus, von wo sie dann mit Pferd und Wagen von "Heine Hüsing", oder in vielen Fällen von den Bauern selbst, nach Veltrup zu "Nolten Gerd", oder zur Windstraße zu Rottmanns Mühle gebracht wurden. Der Langholztransport erfolgte mit einem Ackerwagen, dessen Vorder- und Hintergestell auf das gewünschte Maß auseinandergezogen wurde. Er hatte keine Aufbauten, sondern zur seitlichen Halterung nur sogenannte "Rungen", die herausnehmbar waren. Beim Aufladen wurden einseitig die "Rungen" entfernt, die Baumstämme mit einer "Kracke" hochgehievt und seitlich auf den Wagen gerollt. Beim Sägewerk angekommen, wurden die Bäume dann mit dem vorhandenen Kettenzug hochgezogen, auf dem Gatterwagen festgemacht, um entsprechend zugesägt zu werden. Der Zimmereibetrieb Lindstrot hatte schon damals für Bauholz eine eigene Unterschnittkreissäge, so dass er nicht auf die Sägewerke angewiesen war, sondern je nach Bedarf, allerdings mit viel Personalaufwand, die Bäume selbst zusägen konnte. Eine weitere Möglichkeit bot der Lohndrescher Gerd Wilmer mit seinem Mitarbeiter "Tobi Brinkmann" an, der mit Hilfe einer Kreissäge, die von einem Trecker angetrieben wurde, die Sparren, Pfetten, Riegel und Pfosten entsprechend dem Bedarf an jedem beliebigen Ort zersägen konnte. Auch Altholz aus Ruinen und Abbrüchen wurde zur damaligen Zeit noch in großem Maße verarbeitet. Die eigentliche Zimmermannsarbeit bestand darin, die Kanthölzer entsprechend den Erfordernissen am Bau weiterzubearbeiten. Dazu hatten Claasmeiers schon seit Mitte der 30er Jahre verschiedene tragbare Zimmereimaschinen. Das wichtigste Werkzeug des Zimmermanns war sein Bundgeschirr, das sich fast alle Zimmerleute zu Beginn der Lehre selbst anschafften. Es bestand aus: Axt, Winkeleisen, Stoß(Bund)axt, Stemmeisen, Klopfholz, Breitbeil und Hammer. Wenn dann noch die Bund- oder Zimmersäge (Bogensäge), der grob- und feingezahnte Fuchsschwanz, die Lochsäge und eine Anzahl verschiedene Bohrer dazukamen, konnten alle vorkommenden üblichen Zimmererarbeiten durchgeführt werden.
Meist wurde, wenn der Platz an der jeweiligen Baustelle es erlaubte, an Ort und Stelle verzimmert. Dadurch sparte man sich Transportwege, die besonders wegen des Auf- und Abladens per Hand besonders mühselig waren. Nachdem dann das Profil im Maßstab 1:1 ausgelegt war, wurden die einzelnen Kanthölzer auf Maß gebracht und die Klauen und Zapfen (zum Teil per Hand) eingeschnitten und mit dem Stemmeisen nachgeschlagen.
Erst Mitte der 50er Jahre bestellte man das Holz beim Holzhändler nach Holzlisten. Auch hatte man da schon modernere Maschinen zur Holzbearbeitung wie Handkreissägen, Kettenfräse, Handbandsäge, Bohr- und Hobelmaschinen, die allerdings im Verhältnis zu heute sehr schwer waren und oft nur von 2 Leuten gehandhabt werden konnten.
Das Richten war ein Akt für sich, da das nur mit viel Muskelkraft und großem Ideenreichtum bewerkstelligt werden konnte. Daher fand dies auch meistens Samstags statt. Der jeweilige Bauherr stellte die Hilfskräfte. Bei den großen Bockscheunen der Bauern waren dazu etwa 30 Personen notwendig, die sich aus Nachbarn und Verwandten rekrutierten. Mit Eishaken, Gerüststangen und Seilwinden wurden die Sparren und Pfetten hochgedrückt oder hochgezogen, was nicht immer ein einfaches Unterfangen war und gelegentlich auch zu Unfällen führte.
Wenn aber alles glücklich abgelaufen und der Richtkranz mit den bunten Bändern am First zu sehen war, konnte die Richtfesttradition beginnen. Nachdem der Bauherr oder die Bauherrin den letzten Nagel eingeschlagen hatten, trugen die Zimmerleute vom Gebälk aus einen Richtspruch vor, der zwischendurch immer wieder durch den Ruf: "Kamerad schenk ein" unterbrochen wurde. Je nach dem zu erstellenden Bauwerk gab es unterschiedliche Richtsprüche. Bei einem Wohnhaus wählte man einen anderen Richtspruch, als bei einer Scheune, einer Schule, einer Kirche, einem Verwaltungsgebäude oder eines Gewerbebetriebes. Für die Zimmerleute war wichtig, was sie als Geldinhalt in dem bunten Taschentuch, das am Richtkranz hing, vorfanden. Besonders bei den Bauern wurden Richtfeste wie Hochzeitsfeiern ausgerichtet. Es wurde aufgetischt, was Küche und Keller hergaben. Aber bevor es richtig losging, mussten nach alter Tradition, die vorhandenen oder nicht vorhandenen Ratten verjagt werden. Das geschah durch Kettengerassel und mit sonstigen Lärmquellen. „Arnings Mine" aus Leer engagierte der Bauherr als Kochfrau, damit das sogenannte Hochzeitsessen auch allen Kritiken standhielt. Zur vorgerückten Stunde durfte der Zimmermannsklatsch nicht fehlen. Wenn sich ein Bauherr vorm Richtfest drücken wollte, konnte es vorkommen, dass die Bauhandwerker am First des neuen Gebäudes einen alten Besen mit einer leeren Flasche und einem Hering aufhängten, um gegenüber der Allgemeinheit deutlich zu machen, dass nicht zum Richtfest eingeladen worden war.
Ich bin 1951 zu Hause in die Lehre gekommen. In der Berufschule saß ich mit den Tischlern zusammen. Als Lehrling hatte ich neben meiner praktischen Arbeit regelmäßig Werkstattwochenbücher zu führen. 48 Arbeitsstunden in der Woche war die Regel. Samstags morgens wurde meistens gerichtet und nachmittags hatte der Lehrling die Werkstatt sauber zu machen.
1954 machte ich meine Lehrabschlussprüfung, um dann für 2 Jahre auswärts als Geselle zu arbeiten. 1961 legte ich vor der Handwerkskammer Münster meine Meisterprüfung ab.
Die Zimmereibetriebe betätigten sich insbesondere auch im Winter als Bauschreinerei. So fertigte Lindstrot regelmäßig Fenster und Türen und machte Aufbauten für Sturzkarren und Erntewagen, während Claasmeier/Hemker hauptsächlich Fußböden verlegte.
Die exakte Ausführung der verschiedensten Holzverbindungen (Verzapfungen, Verblattungen) stellte in früheren Jahren an die Zimmerleute einen hohen Anspruch, den sie auch aus Tradition und Stolz zu genügen versuchten. Das ist heute größtenteils weggefallen, da durch die verschiedenen Verbindungselemente aus Stahlblech mit entsprechenden Schraubnägeln diese Arbeiten nicht nur erheblich vereinfacht, sondern auch weniger lohnintensiv sind. Auch wird der Abbund heute nicht mehr per Hand gemacht, sondern mit teuren Abbundanlagen computermäßig erstellt.
Anfang der 50er Jahre gab es in Burgsteinfurt die Zimmereien:
Johann Lindstrot, Kreuzstraße 1,
Claasmeier/Hemker, Metelerstiege 4 (Gewerbe 1998 abgemeldet),
Heinrich Wessendorf, Mennonitenstiege (Bauzimmerei seit 1920, Türkeil 1, Gewerbe 1970 abgemeldet),
Rudolf Raeker, Baugewerkmeister, Sellen 44, (Vater Hermann Raeker war 1925 auch schon als Zimmermann selbständig).
Lindstrot und Wessendorf waren mit 4-5 Gesellen und 2 Lehrlingen wohl die größten Zimmereien in Burgsteinfurt.
Frisör
Gespräch mit Franz Voß, Jahrgang 1923 im August 2001
Schon mein Großvater Theodor Voß, geb. 1838, war Bäcker. Er hatte seine Bäckerei am Drepsenhoek. Später hat er dann an der Schulstraße gebaut. Mein Vater Ludwig, geb. 1887, führte die Bäckerei weiter. Da er als Katholik in Burgsteinfurt keine ausreichende Kundschaft fand, ist er oft mit dem Bollerwagen nach Borghorst gefahren, um dort seine Backwaren abzusetzen. Jedoch war er auch dort nicht erfolgreich, weil man in Borghorst sagte: "De kümmt ut Stemmert, von den Evangelischen kaufen wir nicht".
Als er 1931 plötzlich starb, musste mein Bruder Bernhard, geb. 1911, der zu Hause gelernt hatte, und zu der Zeit in Rheine als Bäckergeselle tätig war, zusammen mit meiner Mutter den häuslichen Betrieb übernehmen. 1932 machte Bernhard mit 21 Jahren seinen Meister. Er hatte aber die Auflage bekommen, erst mit 24 Jahren Lehrlinge ausbilden zu dürfen. Morgens gegen 6 Uhr, vor der Schulzeit, brachten meine Geschwister und ich Brötchen und nachmittags Brot rum. Meine Mutter verkaufte in unserm Laden, die aus der Backstube kommenden Waren. Später war dort auch noch meine Schwester Anni tätig. Anfangs hatten wir einen mit Holz beheizten Backofen mit Seitenfeuerung (Königswinterofen).
Aber schon Mitte der 30er Jahre bekamen wir einen Dampfbackofen (Fa. Werner und Pfleiderer) mit Brikettsbeheizung. Bei diesem war die Hitze besser regulierbar und auch die Teigwaren konnten unabhängig von der Backdauer auf zwei Etagen eingeordnet werden. Das Mehl holten wir damals von Schepers aus der Niedermühle, von Minge aus der Schlossmühle oder bekamen es auch vom Großhandel. 1937 bin ich bei meinem Bruder Bernhard in die Lehre gekommen. Morgens um 4 Uhr ging der Meister in die Backstube, um Brot- und Sauerteig anzusetzen. Wenn der Brotteig fertig war, kam ich dazu, um dann gemeinsam die Brote zu formen und in den Backofen zu schieben. Der Sauerteig allerdings musste erst 3 Stunden stehen, bevor er abgebacken werden konnte. Wir backten hauptsächlich Brötchen, Mischbrote, Weißenmischbrote, Weißbrote, Rosinenbrote, Schwarzbrote und Konditoreisachen. Dabei war Samstags der Schwarzbrottag. Der Teig dazu konnte erst nach den normalen Backvorgängen in den Ofen geschoben werden, da er 18-20 Stunden Backzeit benötigte. Ich erinnere mich noch, dass wir speziell für die Familie Rolinck Vollkornbrötchen herstellten, wobei wir Kleie unters Mehl mischten. Mein Bruder, der bei Onkel "Atta" beschäftigt war, nahm diese morgens mit zur Arbeit. Am 10.10.39 habe ich die Gesellenprüfung gemacht. Als Bernhard dann bei Kriegsbeginn eingezogen wurde, führte ich die Backstube erst alleine weiter, bis uns ein holländischer Bäcker zugewiesen wurde. Nachdem auch ich 1942 zu den Soldaten musste, machte der Holländer alleine weiter. Etwa 1943 ist dann unser Geschäft geschlossen worden.
In der Kriegszeit konnten unsere Kunden nur auf Marken Brot bekommen. Diese Marken sind von uns in entsprechende Markenheftchen eingeklebt und beim Amt abgegeben worden. Entsprechend der Markenabgabe fiel unsere Mehlzuteilung aus.
In der Weihnachtszeit backten wir sehr viel Spekulatius und vor allem Printen, die wir mit Rübensirup herstellten. Dieses Gebäck ging dann mit der Feldpost an die Front. Leider ist unser Wohnhaus in den letzten Kriegstagen abgebrannt. Allerdings sind Backofen und die Knetmaschine erhalten geblieben, so dass Bernhard nach dem Krieg unter primitiven Bedingungen die Backstube und den Laden wieder in Betrieb nehmen konnte. Dazu hatten wir eine entsprechende Wellblechbaracke gebaut, die uns 10 Jahre als Unterkunft diente.
Als ich 1946 aus dem Krieg kam, bin ich zur Meisterschule nach Altena gegangen. In meinem Meisterbrief von Februar 1947 steht, dass ich zur Führung des Meistertitels berechtigt bin, nicht aber, dass ich diesen im Bäckerhandwerk erlangt habe. Das hat sicherlich damit zu tun, dass so kurz nach dem Krieg, die neuen Strukturen der Handwerkskammer noch nicht genau definiert waren. In Ermangelung einer Meisterstelle arbeitete ich erst als Geselle in der Bäckerei Frieling in Horstmar, bevor ich dann im November 1947 die Bäckerei Strickmann in Borghorst pachten konnte. Aus dem Pachtvertrag werden die Bedingungen der damaligen Zeit deutlich, so dass er hier zitiert werden soll.
Schon bald lief die Bäckerei sehr gut, so dass ich auch einen Lehrling einstellte. Allerdings war es nicht einfach, für die Backofenbefeuerung Briketts zu beschaffen. Ich bin noch heute Herrn Hilge von der Kreishandwerkerschaft dankbar, der mir geholfen hat, dieses Problem zu lösen.
Da es bis zur Währungsreform kaum möglich war, an ausreichende Mehlreserven zu kommen, habe ich, wie auch alle anderen Bäcker als Mehlersatz Mais verbacken. Nur wenn ich den Bauern Mais zur Viehverfütterung anbot, konnte ich in den Besitz von zusätzlichem Mehl kommen.
Zum Muffenmarkt in Borghorst haben wir aus Ersatzstoffen (Füllmasse) Pralinen und Marzipanstangen hergestellt.
Kurz nach der Währungsreform lief wieder alles normal. Unsere Renner waren damals Creme Schnittchen in Blätterteig und Kommißbrot; dazu kamen Zwiebäcke in allen möglichen Sorten, ob Zucker-, Guss- oder Makronenzwiebäcke.
Schon zu meiner Borghorster Zeit habe ich mich um Burgsteinfurter Geschäftskundschaft gekümmert.
So belieferten wir die Kolonialwarengeschäfte
Haßmann, Bahnhofstraße,
Hüging, Windstraße,
Hüging, Emsdettenerstraße,
Frl. Overesch, Kirchstraße,
Betting, Wasserstraße und
Brinkhaus, Ochtuperstraße.
Am 1.10.1952 eröffneten wir an der Eichendorffstraße 22 in Burgsteinfurt unsere neue Backstube. Jenseits der Bahn waren wir der einzige Bäcker. Wir hatten nicht nur eine größere Backstube, sondern auch einen besseren Backofen und vor allem einen eigenen Verkauf, der von meiner Frau organisiert wurde.
An der Eichendorffstraße haben wir 14 Bäckerlehrlinge und 12 Bäckereifachverkäuferinnen ausgebildet. Unser Geschäft wurde von Anfang an, sehr gut angenommen. Das subventionierte Konsumbrot für 75 Pfennig war für die damalige Zeit bezeichnend. Auch am neuen Standort war das Kommißbrot unsere Spezialität, das wir geschnitten zu 500 gr., in Wachspapier verpackt, verkauften.
Bedingt durch die neue Kundschaft und motiviert durch unseren schlesischen Gesellen Werner Hänel führten wir nach schlesischen Rezepten hergestelltes Schlesierbrot und Mohnkuchen ein. Ansonsten wurde das Weizenmischbrot in Kaßlerfom am häufigsten verlangt.
Einer der arbeitsintensivsten Tage war der Rosenmontag. Galt es doch schon Sonntags mit dem Backen der Hefeweggen anzufangen, die dann zusammen mit Wurstbrötchen bei Schulen, Geschäften und Behörden verkauft wurden. Meine Kleidung bestand in der Backstube aus weißem Unterhemd mit Ärmel, schwarz/weiß karierter Hose, weißer Bäckermütze und Sandalen.
In der Backstube befanden sich neben dem Backofen, die Knet-, Anschlag- und Ausrollmaschine, der Gärschrank und diverse Kleingeräte wie Mixer, Waage usw.
Zu Weihnachten brachten uns die Hausfrauen fertigen Kuchenteig, den wir dann abbackten. Sonntags war unser Geschäft von 11 - 13 Uhr geöffnet. Dort durften wir aber auch nur verderbliche Konditoreiwaren verkaufen, was vom Gewerbeaufsichtsamt ständig überprüft wurde. 1964 erweiterten wir den Laden; nahmen dann auch zum Bäckersortiment passende Lebensmittel mit auf.1980 bekamen wir einen modernen Backofen als Ausziehofen. Aus Altersgründen habe ich meine Bäckerei 1984 verpachtet. Mein Bruder Bernhard hatte bereits Mitte der 60er Jahre einen neuen Ofen bekommen, wo man auf 3 Herden backen konnte. Dieser Backofen ist erst mit Briketts und später mit Öl betrieben worden. Oben war der Ausbackherd für Kuchen, in der Mitte ein ausziehbarer „scharfer" Herd für Brötchen und unten ein weiterer scharfer Herd. 1970 hat er auch aus Altersgründen seine Bäckerei aufgegeben.
In den Bauerschaften waren bis in die 20er Jahre die meisten Haushaltungen Brotselbstversorger. Da jeder Hof im Besitz eines eigenen Backhauses war, aß man nur selbstgebackenes Brot aus Roggen oder Weizen.
Auf dem Hof Greiwe in Sellen ist so ein Backhaus noch gut erhalten. Hier führt der Heimatverein gelegentlich noch Backtage durch. Die Anrichtung des Brotteigs erfolgte in einem Backtrog, wo der Teig mit Wasser und Salz vermengt, geknetet wurde. Bevor dann der geformte Teig in den Backofen kam, musste dieser auf Glut gebracht werden. Da nur Holz, Buschken oder Torf zur Verfügung standen, wollte das Heizen gelernt sein. Wenn die Backplatte heiß genug war, wurde mit einem Feuerhaken Glut und Asche entfernt, mit einem „Riesebessem" der Ofen gesäubert und mit einem nassen Lappen an einem langen Stiel die letzten Glutreste entfernt.
Überwiegend backte man dunkles Brot aus Roggenschrot, gelegentlich gab es auch Stuten. Da beim Backvorgang aus dem Ofen keine Hitze entweichen durfte, wurde die verschlossene Ofentür mit Brotteig abgedichtet. Wenn es dann gelungen war, schönes braunes Brot zu backen, zeugte das von dem Können und der Erfahrung des Bäckers oder der Backfrau.
Nach dem Adressbuch von 1951 gab es folgende Bäcker in Burgsteinfurt:
1. Franz Epping, Markt 5 mit Kolonialwarengeschäft 2. Adolf Ahring, Lindenstraße 39 3. Heinrich Beckmann, Lindenstraße 7 4. August Buddemeier, Bütkamp 18 5. August Bünermann, Wasserstraße 12 mit Gaststätte (später Wilhelm Westphal) 6. Heinrich Conzen, Hahnenstraße 3 (ab 1955 Wilhelm Fehr, danach Ludwig Banz) 7. Fritz Rummeling, Steinstraße 13 8. Georg Veltrup, Markt 9 9. Franz Übbing, Rottstraße 15 mit Kolonialwarengeschäft 10. Bernhard Voß, An der hohen Schule 15 11. Franz Voß, Eichendorfstraße 22 (ab 1952) 12. Friedrich Wahlbrink, Viefhoek 4 13. Horstkotten "Pin", erst Katthagen, später Wächterkamp, mit Konditorei 14. Rudolf Becker (Bäcker Becker), Steinstraße , nur Cafe 15. Karl Schmiedinghoff, Markt 17 (vorher Sundag), nur Cafe 16. Adolf Buddemeier, Friedhof 7 (vorm Krieg Honigkuchenbäcker genannt, hat nach dem Krieg nicht mehr gebacken, dafür für alle Bäcker die Hefe bestellt und rumgebracht), mit Kolonialwarengeschäft. Bis auf Ahring und Horstkotten hat es alle anderen Betriebe schon 1931 gegeben.
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